WiYou.de-Special: Karriereheimat "Deine Zukunft in Handwerk und Hightech" 2022

7 KARRIEREHEIMAT 1/2022 Carolin hat bereits während ihres zweiten Lehrjahres ihre Freiberuflichkeit angemeldet. Zu dem Zeitpunkt habe sie bereits erste Aufträge von Freunden und Bekannten erhalten. Geholfen habe ihr dabei die Schülerfirma Tilia. Die habe Carolin sehr gut auf die Selbstständigkeit vorbereitet. „Dort habe ich unter anderem gelernt, wie ich einen Kostenvoranschlag erstelle.“ Grundlegende Kenntnisse in der Wirtschaftslehre hat sie im Unterricht der Schnitzschule erhalten. Neben den klassischen Fächern, die an jeder Berufsschule gelehrt werden, bekommen die Schnitzschüler fachtheoretischen Unterricht in den Lerngebieten „Der Werkstoff Holz“, „Entwerfen von Holzhauerarbeiten“, „Holzbearbeitung“, „Hilfswerkstoffe“ und „Liefern, Versetzen und Verankern von Holzbildhauerarbeiten“. Im dritten Lehrjahr lernen die Schnitzschüler auch den Umgang mit der Kettensäge. „Das Schöne an der Ausbildung an der Schnitzschule ist, dass wir uns mit Themen beschäftigen können, die uns selbst interessieren“, sagt Carolin. Sie bekämen eine Richtungsvorgabe wie „Tier in geschlossener Haltung“ und könnten dann selbst entscheiden, welches Tier sie schnitzen und wie sie es präsentieren möchten. Ihr Werk war beispielsweise ein Frosch, den sie an eine Scheibe geklebt hatte. „Das Arbeitsklima hier ist: ‚Macht mal! Ihr kriegt das schon hin.‘ Dadurch sind wir sehr selbstständig“, berichtet sie. Carolin schnitzt gerade an der Vorarbeit ihres Gesellenstücks. Sie möchte eine Skulptur in Form einer Drag Queen gestalten. Diese Vorarbeit ist jedoch ein eigenständiges Kunstwerk. Aus drei Holzblöcken, die sie zusammengeleimt hat – und wo man die Leimfugen nur bei ganz genauem Hinsehen erkennt – hat sie bereits die Figur geschnitzt. „Die Außenkonturen habe ich an der Bandsäge geschnitten. Jetzt muss ich an der Haarstruktur weitermachen. Die Vorarbeit ist dafür da, um meine Ideen zu testen. Ich möchte meine Drag Queen später mit Aquarell bemalen. Da ist die Frage, ob das fleckig wird. Außerdem möchte ich ihr künstliche Wimpern aufkleben. Auch da muss ich probieren, wie sie am besten halten.“ Ihr fertiges Gesellenstück wird im Anschluss für zwei Jahre in der Schnitzschule Empfertshausen ausgestellt. (sa) Das Gesellenstück von Carolin wird eine Drag Queen. Schulleiter Fred Rottenbach ist stolz auf die Gesellenstücke seiner Auszubildenden. Ebenso wie Peter hat auch Magdalena früher schon gerne gemalt und gezeichnet. Insbesondere Menschen hatten es ihr angetan. Umso passender ist es, dass ihre Klasse momentan Nasen, Münder und Augen aus Holz schnitzt. Auch sie kann sich vorstellen, sich später selbstständig zu machen. Eine andere Möglichkeit ist die Arbeit in einem handwerklichen Betrieb. „Tatsächlich werden nur die wenigsten, die hier ihre Ausbildung abschließen, Künstler“, erzählt Schnitzschulleiter Fred Rottenbach. „Es sind vielleicht nur ein bis zwei Prozent. Viele lernen danach einen weiteren Beruf, wie zum Beispiel Tischler oder Keramiker. Oder sie nutzen ihren Gesellenbrief zum Studieren.“

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